Wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten ...
7th Convoy to Remember 2016
12. - 14. August 2016
Zum 7. mal seit 1996 fand in Birmenstorf, Kanton Aargau der Convoy to Remember statt. Anders als die vergangenen Jahre hatte sich unsere Gruppe dazu entschieden, nicht mit einem Display vor Ort teilzunehmen, sondern als Tagesbesucher uns ein Bild vor Ort zu machen. Hier unser Lagebericht zum Zustand der Schweizer re-enactment-Szene Schweiz und deren Zukunft.
Start im Morgengrauen:
In Betracht, dass der Convoy ursprünglich der Landung der Alliierten in der Normandie gedenken sollte, hatten wir uns entschieden mit Uniformen der britischen 6. Airborne Division teilzunehmen. Das hiess, dass jeder unserer Gruppe zwischen 40kg und 50kg Material mit sich tragen musste. Das Team, bestehend aus einem Funker, einem Piat-Schützen, einem Munitionsträger, sowie einem Sanitäter und einem Truppchef als Sergeant zog der Trupp um 0730 los. Die Lufttemperatur betrug zu dieser Zeit noch angenehme 18C°.
Die Kritik an den hohen Eintrittspreisen der letzten Jahre hatte sich das Ok um Adi Gerwer zu Herzen genommen. Die 20.00 SFr. für einen Eintritt am Samstag waren angemessen. So gelangen wir ohne weitere Umwege direkt auf das Gelände, welches sich ähnlich der letzten Jahre präsentierte. Zumindest auf den ersten Blick.
Unser Weg führte uns via Damm zum "Remember Camp", wo wir uns beim Detachement 40 und ihrer Soldatenstube einen Kaffee gönnen wollten. Auf dem "Remember Camp" waren 25! Re-enactment Gruppen angemeldet. Zumindest so stand es auf der Webseite des Veranstalters. Was wir jedoch zu sehen bekamen hatte leider kaum etwas mit re-enactment zu tun. Ein riesiges Meer an Militär-Zelten jeglicher Art und Grösse mischten sich mit zivilen Zelten aus der heutigen Zeit. Dasselbe mit den Fahrzeugen. In einzelnen Camps, welche sich als WW2 Gruppe angemeldet hatten, standen Fahrzeuge der 40er neben Fahrzeugen der 80er Jahre.
Für jene User, die sich mit Re-enactment nicht auskennen, hier der Eintrag unter Wikipedia zum Thema.
Die einzigen Re-enactmentcamps unter den 25, welche wir ausmachen konnten war das schon erwähnte Soldatenstübli vom Det. 40, sowie jenes von Starfeeling zum Thema "Operation Market Garden", das Lager von Thomas Uhlers "French Legion", Gruppe "Eichenlaub" und das "Round Canopy Parachuting Team", welches die Absprünge aus der C-47 Dakota ausführte.
Letzt genanntes Lager sah sehr aufgeräumt und ordentlich aus. Nicht zu viel und auch nicht zu wenig.
Die anderen Gruppen vor Ort darf man sicher nicht zum re-enactment dazu zählen, auch wenn diese jeweils angaben, einen Diensbetrieb zu betreiben.
Programm läuft an
Um 1000 Uhr startete der Convoy zur Rundfahrt durch den Kanton Aargau. Unter den Fahrzeugen gab es eine ganze Fülle von Raritäten, aber auch von kuriosem. Interessanterweise konnten wir feststellen, dass vor allem ältere Jahrgänge nach "alter Schule" noch wissen was sich gehört und wie man eine Uniform korrekt anzieht. Vom Haarschnitt ganz zu schweigen. Wie immer, wenn sich 300 Fahrzeuge aufkolonieren müssen, dauert dass eine Weile. So zogen wir los und liefen den Convoy Richtung Osten ab, um im angrenzen Wald einige Bilder zu schiessen. Dabei konnten wir allerlei alte Bekannte früherer Convoy to Remember Anlässe treffen, welche wie wir nur noch als Tagesbesucher den Anlass besuchten.
Nach einem kurzen Abstecher kehrten wir aufs Gelände zurück. Unser Interessierte der in den Zeitungen vorab angekündigte Flugplatz "Runway Camp 44", auf welchem eine Stinson L-5 gelandet war und der "Betrieb eines Runway Camps (Feldflugplatz) und ein kleines aber feines Pilotencamp" angekündigt war. Inkl. Luftabwehr. Dass der GMC CCKW-353-B2 mit der Vierlinkgsflak vom Typ M45, auch genannt als "meat chopper" und "Krautmower" gerade auf dem Convoy war, war Pech für uns, aber ausser der Stinson, unter dessen Flügel zwei Jungs mit Schweizer TAZ 90 sassen und Bier tranken und einem Zelt war das ganze leider sehr enttäuschend.
Weiter vorne hatten wir dann doch etwas mehr Glück. Der Weasel Club Switzerland hatte neben zwei M29 Weasel, auch einem M3 Stuart, sowie einen M8 Greyhound ausgestellt. Alle Fahrzeug in Top Zustand.
Weiter ging es für uns zur Absprungzone des "Round Canopy Parachuting Team", welches um 1130 Uhr aus der aus England stammenden C47 abspringen sollte. Wie wir das schon von unserem Anlässen in Anheim, resp. Dinkelheide kennen, wollten wir die Chance ein weiteres mal nutzen und versuchten Bilder mit den Rundschimen im Hintergrund zu schiessen.
Die Dakota flog insgesamt 5 mal an. der erste Überflug gilt zur Ermittlung der Windrichtung und Geschwindigkeit, damit die Springer nicht irgendwo im Wald oder den Zuschauern landeten. Danach sprangen die Jungs immer in 5er Gruppen in den drei folgenden Anflügen ab. Der letzte Überflug war dann im Tiefflug über unsere Köpfe hinweg.
Danach verbrachten wir eine weitere Stunde im selben Gebiet, da eine grössere Anzahl von Zuschauern Bilder mit uns machen wollte. Für uns hiess es aber nun Mittagessen. Immer noch mit der Kompletten Ausrüstung unterwegs, was die Lufttemperatur unterdessen auf 30C° angestiegen. Verpflegt wurde wie 1944 aus Konserven. Die Mannschaft hatte die Wahl zwischen Tomatensuppe, Bohnen mit Speck, Corned Beef, sowie Tee und Zwieback.
Captain America & Waffen SS
Nach dieser kurzen Pause ging es nochmals zurück ins "Remember Camp". Zwischen den ganzen Wirren der Lager konnten wir sogar "Captain Americas" Schild und Helm entdecken. Ihn selbst konnten wir jedoch nicht ausmachen. Auch wenn sicher als kleiner Joke gedacht, gehört sowas einfach nicht in ein re-enactment Display. Auch Kinderwagen in olivegrün mit Sternen und Kinderuniformen haben nichts mit re-enactment zu tun.
Den Bock abgeschossen haben aber definitiv andere. Eines der detailliertesten Displays vor Ort war jenes der Gruppe "Eichenlaub", welche den "Betrieb einer deutschen Verteidigung/Abwehrlinie im Raum Caen, Normandie, Juni 1944" zeigen sollte. Dass diese Gruppe jedoch in Uniformen der Waffen-SS der "Leibstandarte SS Adolf Hitler" auftritt und dies vom Veranstalter zugelassen wird, können absolut nicht nachvollziehen und wir protestieren gegen die Darstellung von SS-Einheiten. Anders als WH Einheiten waren alle SS-Einheiten politische Einheiten. Die Begründung, dass dies auch zum Krieg gehört, lassen wir nicht zählen, denn diese Einheit war während des ganzen Krieges an Zahlreichen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit beteiligt. Die ideologisch-politischen Ziele der Nationalsozialisten und deren Verbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind moralisch nicht vertretbar. Glaubwürdige Darstellung im Rahmen des Re-enactment und des Living History können unserer Meinung nach nicht glaubwürdig umgesetzt werden, ohne die Greultaten zu verharmlosen. Weshalb die Gruppe nicht einfach eine gewöhnliche Wehrmachtsdarstellung macht, bleibt wohl ihr Geheimnis.
Nachtrag 16.8.2016 - Beitrag zum Thema in der Aargauer Zeitung.
Zurück zum Programm, welches nun fahrt aufgenommen hatte. Auf der Panzerpiste wurden nach 1400 Uhr mit der Panzerdemo der Brückenpanzer im Einsatz «Einst & Heute» (Jg. 1942 - 1985) gezeigt. Auch die Militärpolizei mit ihren Spürhunden hatte einen interessanten Auftritt um ihr Können zu zeigen. Weitere Programmpunkte waren die Patrouille Suisse, die Kavallerieschwadron, die Historische Radfahrer-Kp, sowie der PAK Zug-58 mit den Bat-Jeeps.
Nach vielen weiteren Bildern und Gesprächen hatten wir genug gesehen und machten und nach 1600 wieder auf den nach Hause Weg.
Unser Fazit sah Sonne, aber auch viel Schatten
Das Programm fanden wir sehr ausgewogen, Interessant und vielseitig. Auch so die Eintritts-, sowie die Preise an den Ess-Ständen waren im normalen Rahmen, was man an solchen Veranstaltungen zahlen muss. Es herrschte Ordnung und die Sicherheit war aus unserer Sicht gut aufgestellt. Man merkt, dass das Ok eingespielt ist und der Anlass nicht zum ersten mal stattfindet.
Was leider fehlte was ein roter Faden in den Camps. Zwar gab es im "Remember Camp" einen Schweizer Teil, aber es war viel zu viel Material und Fahrzeuge vor Ort, als dass man sich ein Bild hätte machen können. Weniger ist manchmal mehr. Obwohl vom Veranstalter als Re-enactor angekündigt, sehen sich viele der dort vertretenen Gruppen gar nicht als Reenactors. Zudem war der Platz war für so viel Material und Fahrzeug einfach zu klein. Einzelne Gruppen wie das HQ Command konnten wir fast nicht finden. Die Qualität hatte im Gegensatz zu den vergangenen Jahren massiv nachgelassen und viele der alten Gruppen aus der Schweiz haben wie wir gar nicht mehr teilgenommen. Zudem hat man trotz mehrmahliger Hinweise noch immer keine vernünftige Waffenkontrolle auf Platz. Zwar ist unser Waffengesetzt etwas liberaler als andere im Ausland, aber weshalb wird zugelasen, dass Zuschauer in Zivil mit einem Stgw44 auf dem Rücken unbeheligt durch die Lager laufen können!!!
Wir sehen um die Zukunft der Schweizer Re-enactmentszene mit Bezug zum 2. Weltkrieg schwarz. Die Romantisierung des Krieges bei solchen Anlässen ist kaum mehr auszuhalten. Nicht dass man den Tod spüren oder er allgegenwärtig sein muss wir in den täglichen Nachrichten, aber etwas mehr Tiefe bei den Displays hätten wir uns schon gewünscht. Auch fehlt der Veranstaltung unterdessen der Bezug zur ursprünglichen Idee der Landung zu Gedenken. Ausser im Namen hat nichts mehr mit "gedenken" zu tun. Geschätzte 90% der gezeigten Fahrzeuge und Uniformen stammen aus den 60er bis 90er Jahre und haben rein gar nicht mit dem D-Day zu tun.
Da vermissen wir doch noch die Anlässe bis ins Jahr 2007, als im Remember Camp ausschliesslich WK2 Gruppen zugelassen waren. Es war zwar dazumal auch nicht alles Gold was glänzte, aber es gab noch etwas das glänzte und es gab gutes Re-enactment.
Der Bericht des Schweizer Fernsehens bringt es auf den Punkt. Bei all dem, was wir gesehen haben, muss man sich schon Fragen: Kriegsverherrlichung oder Geschichtsvermittlung?
Bilder der vergangenen Convoy to Remember: