Home Guard
Der Home Guard des Vereinigten Königreichs, oft auch als Local Defence Volunteers (LDV) bezeichnet, spielte eine entscheidende Rolle während des Zweiten Weltkriegs, indem er die Heimatfront gegen eine mögliche Invasion durch die Achsenmächte verteidigte. Hier ist eine ausführlichere Betrachtung seiner Entstehung, Struktur, Aufgaben und seines Vermächtnisses.
Home Guard Armband aus bedrucktem Baumwollstoff
Entstehung und Frühgeschichte
Gründung
Die Gründung des Home Guard erfolgte am 14. Mai 1940, initiiert durch eine Radiodurchsage von Anthony Eden, dem damaligen Kriegsminister, angesichts der drohenden Invasion durch Nazi-Deutschland nach dem erfolgreichen Blitzkrieg in Westeuropa. Eden rief Männer im Alter von 17 bis 65 Jahren auf, sich freiwillig zu melden, um ihre Heimat zu verteidigen.
Home Guard Pin
Der Home Guard war es erlaubt, ihre teilweise aus dem 1. Weltkrieg stammenden Ordensbänder zu tragen.
V.l.n.r - Order of St Johns Ribbon Bar - 1914/15 Star - British War Medal - Victory Medal
Rekrutierung und anfängliche Herausforderungen
Die Reaktion auf Edens Aufruf war überwältigend; innerhalb von nur wenigen Tagen meldeten sich etwa 250.000 Freiwillige an. Die Organisation wuchs schnell und erreichte schliesslich eine Stärke von rund 1,5 Millionen Mitgliedern. Anfangs hatten die Freiwilligen jedoch mit erheblichen Herausforderungen zu kämpfen. Die Ausrüstung war knapp, und viele mussten improvisierte Waffen wie Jagdgewehre oder selbstgebaute Speere verwenden.
Struktur und Organisation
Aufbau
Der Home Guard war in regionale Bataillone unterteilt, die jeweils einem bestimmten geografischen Gebiet zugeordnet waren. Diese Bataillone bestanden aus mehreren Kompanien, Zügen und Sektionen. Die Führung lag häufig in den Händen von Veteranen des Ersten Weltkriegs oder pensionierten Offizieren, die Erfahrung und strategisches Wissen mitbrachten.
Home Guard Gasmask Tin von 1941
Training und Ausrüstung
Anfangs war das Training minimal, doch mit der Zeit wurde es zunehmend strukturiert und professioneller. Es umfasste Schiessübungen, Nahkampftraining, Taktiken zur Verteidigung gegen Panzer und andere militärische Fertigkeiten. Die Ausrüstung des Home Guard verbesserte sich ebenfalls im Laufe der Zeit. Neben Gewehren und Maschinengewehren erhielten die Einheiten auch Panzerabwehrwaffen und schwere Maschinengewehre, um ihre Effektivität zu steigern.
P14 der britischen Home Guard
Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges konnte der Bedarf an Infanteriegewehren für die englischen Truppen nicht gedeckt werden. Die Firma Vickers Limited, die eigentlich die P-14-Gewehre hätte produzieren sollen, war mit der Herstellung der Vickers-Maschinengewehre beschäftigt. Daher wurde die P14 Rifle von den Firmen Remington Arms, Eddystone Rifle Plant in Chester (Pennsylvania) und Winchester hergestellt. Insgesamt wurden 1.235.298 Pattern 14 MK I Rifles produziert, wobei der grösste Teil aus dem Eddystone Rifle Plant stammte. Dieselbe Firma stellte später auch die M1917-Gewehre für die US-Truppen her.
Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges wurden die P-14-Gewehre unter der Bezeichnung Rifle No 3 MK 1 und MK 1 an auswärtige Truppen des Commonwealth abgegeben und vielfach auch bei der Home Guard eingesetzt. Viele der Gewehre wurden während des Krieges auch nach Russland geliefert.
Aufgaben und Einsätze
Verteidigung und Schutz
Die Hauptaufgaben des Home Guard waren vielfältig und entscheidend für die Landesverteidigung:
- Schutz von strategischen Orten**: Dazu gehörten wichtige Infrastrukturen wie Brücken, Fabriken, Eisenbahnlinien und Versorgungsdepots.
- Küstenwachen**: Besonders in Küstengebieten, um mögliche Landungsversuche feindlicher Truppen zu beobachten und zu vereiteln.
- Errichtung von Strassensperren und Kontrollpunkten**: Diese Massnahmen dienten dazu, feindliche Truppenbewegungen zu behindern und die Sicherheit in den Städten und auf dem Land zu gewährleisten.
- Luftverteidigung**: Unterstützung der regulären Streitkräfte durch Bedienung von Flugabwehrgeschützen und Durchführung von Luftbeobachtungen.
Einfluss und Bedeutung
Links: Home Guard Uniform mit Battle Dress Wollhose und Demin Battle Dress Jacke - Foto by Ace Cafe Luzern / Rechts: Home Guard mit P37 Battle Dress und charakteristischen Patronentaschen
Moralische Stärkung
Der Home Guard trug erheblich zur moralischen Stärkung der britischen Bevölkerung bei. Trotz begrenzter Ressourcen und anfänglicher Skepsis seitens der regulären Streitkräfte zeigte der Home Guard eine bemerkenswerte Entschlossenheit und Bereitschaft, das Heimatland zu verteidigen. Dies stärkte den Gemeinschaftssinn und das Vertrauen in die Fähigkeit der Nation, sich selbst zu verteidigen.
Militärische Bedeutung
Militärisch gesehen war der Home Guard eine wichtige Ergänzung zu den regulären Streitkräften. Ihre Präsenz ermöglichte es den regulären Einheiten, sich auf offensive Operationen zu konzentrieren, während der Home Guard die Heimatfront sicherte und lokale Verteidigungsaufgaben übernahm.
1941 Home Guard Training Manual von Volunteer Regiment Soldier Slater, 12 Platoon, C. Coy, 16th Batt. Devon Regiment. Gewehrnummer 547384
Persönliche Notizen im Manual von Soldat Slater
Auflösung und Vermächtnis
Ende des Einsatzes
Mit dem Abflauen der unmittelbaren Invasionsgefahr und der zunehmenden Stärkung der regulären britischen Streitkräfte wurde der Home Guard am 31. Dezember 1944 offiziell aufgelöst. Viele Mitglieder erhielten Medaillen und Auszeichnungen in Anerkennung ihrer Dienste und Opferbereitschaft.
Kulturelles Erbe
Der Home Guard hinterliess ein bedeutendes kulturelles Erbe, das in der britischen Populärkultur weiterlebt. Besonders die TV-Serie "Dad's Army", die von 1968 bis 1977 ausgestrahlt wurde, hat das Bild des Home Guard humorvoll und liebevoll gezeichnet. Diese Serie trug dazu bei, das Andenken an die Bemühungen und die Opferbereitschaft der Home Guard lebendig zu halten.
Der Home Guard bleibt ein symbolträchtiges Kapitel in der Geschichte des britischen Zweiten Weltkriegs, das die Entschlossenheit und den Gemeinschaftssinn der britischen Bevölkerung in Zeiten grösster Gefahr eindrucksvoll widerspiegelt.